Hallux valgus

Hans-Jörg Trnka

Hallux valgus Indikation und Therapie

Die Hallux valgus Fehlstellung ist eine der häufigsten Deformitäten an der unteren Extremität. Die Ursache der Hallux valgus Fehlstellung ist vielfältig.

Johnston (Johnston 1956) war nach Studie des Stammbaumes einer „Hallux valgus Familie“ der Ansicht es handele sich um einen autosomal dominanten Erbgang mit inkompletter Penetranz.

In einer grossangelegten Studie des National Center for Health Statistics (Whitney 1978) in den USA zeigte sich, dass Frauen weit aus häufiger von der Hallux Valgus Deformität betroffen sind.

Den Einfluss der Schuhmode zeigten Kato und Watanabe (Kato und Watanabe 1981) auf. Vor Einführung westlicher Schuhmode wurden in Japan keine Hallux valgus Operationen in Japan durchgeführt. Lam Sim- Fook und Hodgson (Lam Sim-Fook und Hodgson 1958) haben festgestellt, dass die Schuhe tragenden Einwohner von Hong Kong zu 33% und die barfuss laufenden Einwohner zu 1,9 % der eine Hallux valgus Fehlstellung aufwiesen.

Der Hallux valgus betrifft sowohl die knöchernen als auch die Weichteilstrukturen des Vorfußes. Neben medialer Deviation des ersten Mittelfußknochens, progressiver Subluxation des Großzehengrundgelenks und sekundärer lateraler Deviation der Großzehe sind die mediale und laterale Kapsel , der M. adductor hallucis, der M. abductor hallucis, sowie die Sesambeine betroffen. Daraus lässt sich folgern, dass auch die Weichteile neben den knöchernen Strukturen in die Korrektur des Hallux valgus einbezogen werden müssen. (Payr 1925), (Appel u. Gradinger 1989)

Die ersten Berichte einer Hallux valgus Korrektur reichen bis 1836 zurück. Anfänglich erschien Chirurgen wie Hueter, Mayo, Keller und Brandes die einfache Resektion des Gelenkes die beste Möglichkeit. Obwohl diese Techniken teilweise immer noch angewandt werden, sollten sie eigentlich Geschichte sein und sind im 21. Jhdt. obsolet.

Korrekturosteotomien sind der Weg den man im 21. Jhdt. gehen sollte. Auch hier wurden erste Schritte schon 1881 von Reverdin unternommen. Interessanterweise sind vor allem österreichische und deutsche Chirurgen bzw. Orthopäden die Vordenker in der Fußchirurgie. Sie wurden nur durch den damaligen Entwicklungsstand der Technik behindert, moderne Osteosynthese gab es damals noch nicht.

Von Beginn der Hallux Chirurgie wurde zwischen proximalen und distalen Osteotomien unterschieden. Es ist mathematisch erwiesen, dass distale Osteotomien nur bis zu einer Grenze von 16 bis 18 Grad Intermetatarsalwinkel in der Hand eines erfahrenen Chirurgen, und bis zu 15 Grad in der Hand eines weniger erfahrenen Chirurgen eine ausreichende Korrektur ermöglichen. Darüber hinaus muss man die Korrektur weiter proximal am Metatarsale 1 durchführen.

Das wichtigste Prinzip eines fußchirurgisch aktiven Orthopäden sollte sein: „Mit einer Technik allein kann man nicht alle Füße bzw. Fehlstellungen korrigieren.“

Schon 1975 zählte Prof. Basil Helal mehr als 150 verschiedene Techniken zur Korrektur des Hallux valgus, inzwischen sind wir wahrscheinlich bei 180 angelangt. Viele davon kamen über die Erstbeschreibung nicht hinaus, wenige Techniken haben sich durchgesetzt. Während die Techniken nach Hohmann, Wilson, Mitchell und vor allem die Chevron Osteotomie zur Gruppe der distalen Metatarsalosteotomien zählen, repräsentieren die Techniken nach Loison, Balacescu, Ludloff, Trott und Mann die proximalen Osteotomien. In der Mitte siedelt sich die SCARF Osteotomie an.

Um den Patienten jeweils eine optimale Korrektur ihrer Fehlstellung zu ermöglichen hat es sich bewährt einen Allgorythmus aufzustellen. Dies wurde erstmals von Mann in seinem Textbuch und in seinen Vorträgen vorgeführt. Im orthopädischen Krankenhaus Gersthof wurde nach Kontrolle der Ergebnisse über einen Verlauf von 20 Jahren ebenfalls eine solche Leitlinie entworfen und im Fusszentrum Wien verfeinert (Ritschl, Trnka 1999).

Präoperative Planung

Für die Indikationsstellung zur Hallux valgus Chirurgie sind einige Grundregeln unverzichtbar. Röntgenbilder des Vorfuß dorsoplantar und seitlich stehend sind Grundvoraussetzungen. Weiters ist eine klinische Untersuchung des Patienten mit Beurteilung des Rückfuß, der Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk, der Stabilität des 1. Strahles, und vor allem der Patientenerwartung notwendig.

Narkose

Operationen am Vorfuß werden allgemein in Knöchelleitungsanästhesie durchgeführt. Als Komfort für den Patienten kann eine Sedierung für die Applikation der Spritzen hinzugefügt werden.

Das Therapiekonzept

Den radiologischen Parametern entsprechend wird die Hallux valgus Deformität bei nicht arthrotischem Metatarsophalangealgelenk in drei Grade eingeteilt, und das entsprechende Operationverfahren gewählt.

Der Grad 1 entspricht ein kongruentes erstes Metatasophalangealgelenk, Sesambeinposition 0–1 und einem Intermetatarsalwinkel kleiner als 16 °.
Der Grad 2 ist durch ein inkongruentes erstes Metatasophalangealgelenk, Sesambeinposition 2–3 und einen Intermetatarsalwinkel kleiner als 16 ° definiert
Der Grad 3 der Hallux valgus Deformität zeigt einem Intermetatarsalwinkel größer als 15°–18°)

Im Folgenden werden die einzelnen Operationstechniken entsprechend ihrem Deformitätsgrad beschrieben:

Grad 1 der Hallux valgus Fehlstellungen

(IM < 16°, kongruentes Gelenk, Sesambeinposition Grad 0-1)

Chevron Osteotomie (Trnka 2000), (Schneider 2004)

Über einen medialen Hautschnitt erfolgt der Zugang. Die Gelenkskapsel wird dargestellt und L-förmig eröffnet. Ein Führungsdraht wird mit einer Inklination von 20 Grad nach lateral plantar auf das Metatarsalköpfchen 4 zielend eingebracht. Von diesem Draht aus erfolgt unter Zuhilfenahme einer Schnittlehre eine nach proximal offene V-Osteotomie mit einem Winkel von 60°–80°. Der distale, nun mobilisierbare Teil des Köpfchens wird nach lateral verschoben und mit einem Draht oder vorzugsweise mit einer Schraube fixiert.

Nachbehandlung:
Die Patienten werden mit einem postoperativen Schuh für 4 Wochen (bei Schraubenfixation) versorgt und können ab dem 1.Tag aufstehen. Die ersten 2 Wochen sollte der Fuß geschont, hochgelagert, und Eis appliziert werden. Die Nahtentfernung erfolgt nach 12–14 Tagen. Ab diesem Zeitpunkt kann ein spezieller postoperativer Hallux valgus Strumpf verwendet werden. Dieser ermöglicht die vom Patienten gewünschte Körperhygiene und wirkt auch abschwellend bei guter Stellungskontrolle.

Grad 2 der Hallux valgus Fehlstellungen

(IM < 16°, inkongruentes Gelenk oder/und Sesambeinposition Grad >1)

Auf Grund der Weichteilkontrakturen ist bei Grad 2 eine reine ossäre Umstellung nicht Erfolg versprechend und eine entsprechende Weichteillösung ist notwendig.

Chevron Osteotomie mit distaler Weichteiltechnik (Trnka. 1997)

Röntgenbilder einer Austin Osteotomie vor und nach der Operation

A. Distale Weichteiltechnik Über eine ca. 5cm lange Hautinzision im ersten Intermetatarsalraum wird von dorsal zugegangen. Nach stumpfer Präparation wird ein Wirbelspreizer eingesetzt und das Ligamentum metatarsosesamoidale durchtrennt. Die laterale Gelenkskapsel wird gestichelt, lateralen Kapsel durch ein Varusmanöver der Großzehe von bis zu 20 Grad nach medial mobilisiert. Abschließend werden zwei Raffnähte im ersten Intermetatarsalraumes vorgelegt (Abb. 3C).

Abb. 3c

B. Die schon vorher beschriebene Chevron Osteotomie mit Schraubenfixation wird angeschlossen, und die vorgelegten Nähte werden geknüpft.

Nachbehandlung:
Die Patienten werden mit einem postoperativen Schuh (Abb. A) für 4 Wochen (bei Schraubenfixation) versorgt und können ab dem 1.Tag aufstehen. Die ersten 2 Wochen sollte der Fuß geschont, hochgelagert, und Eis appliziert werden. Die Nahtentfernung erfolgt nach 12–14 Tagen. Ab diesem Zeitpunkt kann ein spezieller postoperativer Hallux valgus Strumpf (Abb. B) verwendet werden. Dieser ermöglicht die vom Patienten gewünschte Körperhygiene und wirkt auch abschwellend bei guter Stellungskontrolle.

Hallux valgus Strumpf

Hallux valgus Schuh | Postoperativer hallux valgus Strumpf

Grad 3 der Hallux valgus Fehlstellungen

(IM > 15°–18°)

Bei diesen hochgradigen Fehlstellungen sollte eine proximale Osteotomie erfolgen. Als Möglichkeiten stehen hier die Mann Osteotomie, die Ludloff Osteotomie, die proximale opening wedge und closing wedge Osteotomien zur Verfügung. In den letzten Jahren haben wir vor allem die Mann und Ludloff Osteotomie durchgeführt.

Bei proximalen Osteotomien ist immer eine laterale Weichteiltechnik notwendig.

Mann Osteotomie (Proximale Bogenförmige Osteotomie mit distaler Weichteiltechnik) (Mann u. Mitarb. 1992) (Zettl, Trnka et al 2000)

Röntgenbilder einer Mann Osteotomie vor und nach der Operation

Röntgenbilder einer Mann Osteotomie vor und nach der Operation

Nach der distalen Weichteiltechnik wird die Basis des Metatarsale I entweder von durch Verlängerung des Schnittes im I. Interdigitalraum bzw. des Schnittes über der Pseudoexostose dargestellt. Mit der bogenförmigen oszillierenden Säge wird 1 cm distal des Gelenksspaltes des Metatarsocuneiforme-Gelenkes eine distal konvexe Osteotomie ausgeführt Mit einer Kleinfragment- Spongiosaschraube wird die Osteotomie fixiert. Anschließend wird die Pseudoexostose abgetragen, die Abduktorplastik durchgeführt und die Raffnähte werden geknüpft.

Nachbehandlung:
Die Patienten werden mit einem Vorfußentlastungsschuh für 6 Wochen versorgt und können ab dem 1.Tag aufstehen. In einzelnen Fällen ist eine Gipsversorgung notwendig. Die ersten 2 Wochen sollte der Fuß geschont, hochgelagert, und Eis appliziert werden. Die Nahtentfernung erfolgt nach 12–14 Tagen. Ab diesem Zeitpunkt kann ein spezieller postoperativer Hallux valgus Socken verwendet werden. Dieser ermöglicht die vom Patienten gewünschte Körperhygiene und wirkt auch abschwellend bei guter Stellungskontrolle.

Ludloff Osteotomie (Proximale Bogenförmige Osteotomie mit distaler Weichteiltechnik) (Chiodo und Myerson. 2004), (Hofstaetter und Trnka 2006)

Röntgenbilder einer Ludloff Osteotomie vor und nach der Operation

Röntgenbilder einer Ludloff Osteotomie vor und nach der Operation

Der Hautzugang erfolgt medial von der Grundphalanx der Großzehe bis zum Metatarso cuneiforme Gelenk. Die mediale Kapsel wird dargestellt und L-förmig inzidiert. Die Osteotomie wird von dorsal proximal nach distal plantar unter Einneigung des Sägeblattes von 10° nach plantar lateral durchgeführt. Die dorsalen 2/3 des Metatarsale werden zuerst durchtrennt, nun wird dorsal proximal eine 3.0 AO Aschraube eingebracht ohne sie festzuziehen, und anschließend wird das distale 1/3 der Osteotomie vollendet. Nach Schwenken des dorsalen Fragments und Halten der Position wird die dorsale Schraube fixiert und von plantar eine zweite Schraube eingebracht. . Ein Führungsdraht wird für die plantare Schraube wird von plantar nach dorsal gesetzt. Das überstehende Metatarsalköpfchen und der überstehende Knochen im Bereich der Schwenkung werden begradigt.

Nachbehandlung:
Die Patienten werden mit einem Vorfußentlastungsschuh für 6 Wochen versorgt und können ab dem 1.Tag aufstehen. In einzelnen Fällen ist eine Gipsversorgung notwendig. Die ersten 2 Wochen sollte der Fuß geschont, hochgelagert, und Eis appliziert werden. Die Nahtentfernung erfolgt nach 12–14 Tagen. Ab diesem Zeitpunkt kann ein spezieller postoperativer Hallux valgus Socken verwendet werden. Dieser ermöglicht die vom Patienten gewünschte Körperhygiene und wirkt auch abschwellend bei guter Stellungskontrolle.

Die SCARF Osteotomie findet sowohl bei Grad 2 und auch bei Grad 3 Fehlstellungen Anwendung (Kristen 2002)

Röntgenbilder einer SCARF Osteotomie vor und nach der Operation

Röntgenbilder einer SCARF Osteotomie vor und nach der Operation

Der Hautzugang erfolgt medial von der Grundphalanx der Großzehe bis zum Metatarso cuneiforme Gelenk. Die mediale Kapsel wird dargestellt und L-förmig inzidiert. Die Osteotomie ist z-förmig mit je einem dorsalen distalen und proximalen plantaren Schenkel. 2 Führungsdrähte werden je distal und proximal am Ende der geplanten Osteotomie eingebracht. Beide Drähte sind ca. 40° von medial nach plantar lateral eingeneigt. Nach Vollendung der Osteotomie wird der distale, nun mobilisierbare Teil nach lateral verschoben und mit einer Schraube fixiert. . Das überstehende Metatarsalköpfchen und der überstehende Knochen im Bereich der Verschiebung werden begradigt.

Nachbehandlung:
Die Patienten werden mit einem postoperativen Schuh für 4–6 Wochen versorgt und können ab dem 1.Tag aufstehen. Die ersten 2 Wochen sollte der Fuß geschont, hochgelagert, und Eis appliziert werden. Die Nahtentfernung erfolgt nach 12–14 Tagen. Ab diesem Zeitpunkt kann ein spezieller postoperativer Hallux valgus Socken verwendet werden. Dieser ermöglicht die vom Patienten gewünschte Körperhygiene und wirkt auch abschwellend bei guter Stellungskontrolle.

Die große Anzahl der Methoden zur Korrektur der Hallux valgus Deformität deutet darauf hin, dass einzelne Techniken nicht das gesamte Spektrum der verschiedenen Hallux valgus Deformitätsgrade korrigieren können. Die Operationstechniken und Methoden der Fußchirurgie haben sich in den letzten 10 Jahren enorm weiterentwickelt. Vor allem in der Hallux valgus Chirurgie ist ein optimales Ergebnis für den Patienten nur mit einer fundierten Ausbildung, regelmäßiger Weiterbildung und vor allem einer entsprechenden Operationsfrequenz möglich

Literatur beim Verfasser

Korrespondenzadresse:
Univ.-Doz.Dr. Hans-Jörg Trnka
Fusszentrum Wien - Alserstraße 43/8D, 1080 Wien

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